Bürgerkrieg und Staatswillkür

Inzwischen sind viele Fakten bekannt was an staatlicher Gewalt notwendig ist um eine Bürgerkriegsübung in den Ausmaßen wie in Hamburg durchzuführen. Sicher gehören dazu auch einige Willfährige unter den Demonstranten, aber das alleine langt nicht um den Staatsnotstand zu zelebrieren.

Von Anfang an war der Einsatz des Staatsapparates gegen die G20-Demonstranten ein militärischer, wenigstens ein paramilitärischer, an dessen Ende die Ereignisse geliefert werden sollten, die (noch) als Begründung gebraucht werden, um mit weiteren Notstandsmaßnahmen im Inneren, gegen das eigene Volk, vorzugehen. So war es nach den NSU-Morden, nach dem Anschlag mithilfe eines LKW in Berlin, nach dem Anschlag eines Faschisten im Einkaufszentrum in München… Danach standen immer Gesetzesverschärfungen, Eingriffe in die bürgerlichen Freiheiten, Maßnahmen des Notstandes der Republik deren Entwürfe oft schon fertig ausgearbeitet in irgendwelchen Schubladen in Berlin lagen.

Unter dem „Bluthund“ de Maiziere treten in Hamburg die Regierenden von SPD und Grünen an, die dafür mehr als 30.000 Polizisten, GTAZ und GTEZ, Verfassungsschützer aus Bund und Ländern, BND, BAMF, Zollkriminalamt, THW, Heimatschutzverbände, die Bundeswehr mit Luftwaffe, Marine und dem MAD aufgeboten haben. Jeder 2te Polizist hatte eine Maschinenpistole oder ein G36-Sturmgewehr, in Hamburg sollte „das gesamte Polizei-Equipment“ (Einsatzleiter Dudde) ausgepackt werden. Dazu gehörte dann auch der Schusswaffeneinsatz eines Polizisten, Polizeieinbrüche in Privatwohnungen, der Entzug von Akkreditierungen von Journalisten, der Ausnahmezustand über weite Teile Hamburgs, stacheldrahtumzäunte Gefangenenlager mit Schnellgerichten und willfährigen Juristen sowie tätliche Angriffe gegen Rechtsanwälte. Hierzu ein Interview mit der Rechtsanwältin Gabriele Heinecke vom RAV und anwaltlichen Notdienst bei G20 direkt nach den ersten Übergriffen der Polizei am 7. Juli.

Zu Recht schreibt der Chefredakteur der SZ, Prantl: „Das Versammlungsgrundrecht nach Artikel 8 war das Grundrecht der soeben zu Ende gegangenen Woche; es ist so malträtiert worden wie schon lange nicht mehr“ und zitiert die sogenannte „Brokdorf-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1985: „Die staatlichen Behörden sind gehalten, versammlungsfreundlich zu verfahren und nicht ohne zwingenden Grund hinter bewährten Erfahrungen zurück zu bleiben“ (alles in SZ vom 9.7.). Dieses Grundgesetz und die „bewährten Erfahrungen“ werden gerade ersetzt durch staatliche Willkür, also das gerade Gegenteil von bürgerlicher Gesetzgebung. Die Staatswillkür aber war der Vorläufer von Faschismus und Krieg und ist heute ein wesentliches Merkmal des Notstand der Republik.


„Wir müssen endlich erkennen, dass Bestand und Sicherheit unserer Gesellschaft nicht erhalten werden können durch gewaltige Rüstungen, durch Notstandsgesetze, sondern einzig und allein durch eine wahrhaft menschenwürdige Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung.“

Georg Benz , ehemaliges Vorstandsmitglied der IG Metall,
1966 auf dem Frankfurter Römerberg gegen die Notstandsgesetzgebung

In die Mühlen des Staatsapparates sind auch einige junge Gewerkschafts-Kolleginnen und -Kollegen der verdi-Jugend NRW-Süd geraten, die zur Demonstration gegen die Politik der G20 nach Hamburg fuhren. Sie haben in diesen Tagen bittere aber lehrreiche Erfahrungen mit diesem Staat gemacht. Stellvertretend stellen wir hier ihre Erlebnisse vor:

Fast der gesamte Jugendvorstand der ver.di Jugend NRW-Süd, mehrere weitere ver.di-KollegInnen und andere Bonner MitstreiterInnen, darunter auch Minderjährige, wurden beim G20-Gipfel Opfer von politischer Verfolgung, von tagelanger Freiheitsberaubung und massiver Aushebelung der demokratischen Grundrechte durch Polizei und Staatsanwaltschaft.

Eine Demonstration von etwa 200 Menschen am 7. Juli wurde von der Polizei angegriffen und regelrecht zerschlagen: Wer nicht rechtzeitig wegkam, bekam den Polizeiknüppel zu spüren, wurde auf den Boden gedrückt und zum Teil sogar dann weiter mit dem Schlagstock traktiert. Man schrie uns an: „Halt die Schnauze sonst kriegst du noch eine rein!“

„Ein solches Ausmaß von Polizeigewalt habe ich noch nicht erlebt. Das war keine Festnahme, sondern ein regelrechter Überfall der Polizei auf unsere Demonstration.“ erinnert sich Nils Jansen, Mitglied im Jugendvorstand der ver.di Jugend NRW-Süd.


Entwaffnet die Polizei

Keinen Cent für die Aufrüstung der Polizei

Polizei raus aus den Betrieben

Polizei und Militär – Raus aus den Gewerkschaften


Alle außer den minderjährigen KollegInnen wurden über 35 Stunden in der Gesa (Gefangenen-Sammelstelle) festgehalten. Der Anwalt eines Bonner Kollegen wurde in der Gesa von der Polizei tätlich angegriffen. Das provisorische „Schnellgericht“, das extra für den Gipfel eingerichtet wurde, kam der Forderung der Polizei nach, uns weitere 28 Stunden festzuhalten. Fast alle inhaftierten Bonner wurden in die JVA Billwerder verlegt und dort bis zum Sonntag den 9. Juli um 18 Uhr festgehalten. Am Ende ist das provisorische Hamburger Amtsgericht der Forderung der Staatsanwaltschaft sogar soweit nachgekommen, dass drei KollegInnen in Untersuchungshaft gesteckt wurden! Unter fadenscheinigen Gründen wurden den Bonnern „Fluchtgefahr“ attestiert, zwei von ihnen saßen von Freitag bis zum nächsten Freitag, also mehr als 170 Stunden, hinter Gittern.

Die ver.di Jugend NRW-Süd steht hinter den betroffenen MitstreiterInnen und ruft zu breiter Solidarität auf!

Die verdi-Jugend berichtet über ein Video (ausgestrahlt bei NDR-aktuell) auf dem deutlich zu sehen ist, wie die Polizei die friedlichen Demonstranten angreift. Sie diskutieren die Rolle des Staates, sammeln Spenden für die Betroffenen und planen für den 7. Oktober einen bundesweiten Kongress „Demonstrationsrecht verteidigen!“ in Düsseldorf.