Erklärung zu einer arbeiterfeindlichen Regierung

Die neue Regierung „ermächtigt“ sich des Parlaments


Die jetzige Regierung ist in der Geschichte der BRD nicht nur die, die auf undemokratischste Weise zustande kam. Nämlich im wahrsten Sinne des Wortes durch Schiebung. Denn eine andere Regierung, eine aus SPD, Linke und Grüne hätte ja eine Mehrheit gehabt. Und wenn die sich nicht darauf einigen wollen, hätte die CDU/CSU halt eine Minderheitsregierung zu bilden gehabt, die schauen muss, welche Unterstützung sie im Parlament findet. Stattdessen ist die SPD zu einer „großen Koalition“ mit ihr übergelaufen.

Was wir also bekommen haben ist eine Ermächtigungsregierung, die nach dreimonatigen Verhandlungen beschlossen hat, das Parlament überflüssig zu machen. Heißt es im Grundgesetz: die Abgeordneten sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen, so wird im Koalitionsvertrag der neuen Regierung aus Grundrecht defacto Fraktionsrecht: „Im Bundestag und in allen von ihm beschickten Gremien stimmen die Koalitionsfraktionen einheitlich ab. Das gilt auch für Fragen, die nicht Gegenstand der vereinbarten Politik sind. Wechselnde Mehrheiten sind ausgeschlossen.“

Eine Regierung, mit zudem einer verfassungsändernden Mehrheit von 80 Prozent, die in allen Fragen die Abgeordneten unter Fraktionszwang setzt, hebt den Abgeordneten auf, setzt das Parlament außer Kraft. Das gab es bislang noch nie, auch nicht 1968 als die Notstandsgesetze gegen den Widerstand einer außerparlamentarischen Opposition von Studentenbewegung und Gewerkschaften verabschiedet wurden. Die Abgeordneten können gleich zu Hause bleiben weil die Fraktion vorgibt wie abzustimmen ist und in ihrem Wahlkreis erläutern, dass ihre Stimme eigentlich gar keine Stimme ist. Die neue Regierung „ermächtigt“ sich des Parlaments, das ist hochgefährlich für den Zustand einer Demokratie, vergleichbar mit der Situation am Ende der Weimarer Republik.

Ist es das, worüber die Sozialdemokratie ihre Mitglieder befragt hat? Nein, abstimmen durften sie nur über den Betrug.


Betrug „Rente mit 63“:

Nein, es gibt sie nicht – von wenigen Ausnahmen abgesehen – die Rente mit 63. Der vermeintliche Erfolg den die SPD errungen hat kommt daher, wenn man Versicherungsjahre als Beitragsjahre verkauft. Für die vorgeschriebenen 45 Jahre zur Erlangung der Rente mit 63 gelten aber nicht die Versicherungsjahre, sondern die Beitragsjahre. Weil bei Erwerbslosig.keit nur Zeiten mit Bezug von Arbeitslosengeld Beitragsjahre sind, die Jahre als Hartz-IV-Bezieher aber nicht, weil weder Ausbildungsjahre noch alle Erziehungszeiten automatisch Beitragsjahre sind, wird sich der Anteil derer die überhaupt die 45 Beitragsjahre erreichen, allenfalls auf ein paar Tausend Kolleginnen und Kollegen beschränken.


Betrug „Mindestlohn“:

Nein, es gibt ihn nicht, den Mindestlohn, wie er uns vorgegaukelt wird. Der „Durchbruch“ den uns die SPD verkaufen will, lässt alle Abweichungen unter Achteurofünfzig in entsprechenden Tarifverträgen weiter zu bis Ende 2016. Darüberhinaus sollen bestimmte Tätigkeiten, vom Erntehelfer bis zum „gering Beschäftigten“ ausgenommen bleiben. Wenn dann ab Januar 2017 die „uneingeschränkte“ Gültigkeit der Achteurofünfzig in Kraft tritt, handelt es sich bestenfalls noch um einen Armutslohn je nach Inflations-und Preissteigerungsraten und dass die „Kommission der Tarifpartner“ ab Juli 2017, zweieinhalb Monate vor der nächsten Bundestagswahl, aus Armutslöhnen Löhne zum Leben macht, ist ja wohl nicht ernst zu nehmen. Erkämpft haben sich den staatlichen Mindestlohn die Arbeiter Frankreichs in der Volksfront 1936 und Portugals in der Nelkenrevolution 1974. Ein staatlicher Mindestlohn muss durch Gesetz sicherstellen, dass jede Entlohnung von Arbeit unter einem bestimmten Betrag ausgeschlossen ist und der Verstoß dagegen mit Gefängnis nicht unter fünf Jahren bestraft wird.

Statt „Mehr Demokratie wagen“, wird der staatliche Gewaltenapparat ausgebaut und vergrößert. Alles was wir als Arbeits-und Koordinationsausschuss seit Jahren an Maßnahmen des reaktionären Staatsumbaus anprangern und als Notstand der Republik brandmarken – wie z.B. die Ausweitung der Befugnisse des BKA hin zu einer verbotenen Geheimpolizei, wird weiter verschärft im Koalitionsvertrag unter „Moderner Staat, innere Sicherheit und Bürgerrechte“. Der Sozialdemokrat Scholz, mit seinen Gefahrenzonen in Hamburg, hat uns gerade einen Vorgeschmack dessen gegeben, was die SPD von bürgerlichen Rechten hält, der „Bluthund“ Noske lässt grüßen. Moderner Staat steht bei den Koalitionären für nichts anderes, als für Ermächtigungsregierung.

Der Zugang der Bundeswehr zu Schulen, Hochschulen, Ausbildungsmessen und ähnlichen Foren ist für diese Regierung selbstverständlich. Sie will Schulen und Hochschulen zu Kadetten-Anstalten machen. Da bleibt als Alternative für unsere Kinder nur: entweder mit dem Mindestlohn ums Überleben kämpfen oder mit dem Stahlhelm auf dem Kopf verrecken. Die Erinnerung an den deutschen Militärstiefel ist in Europa längst wieder gegenwärtig. Sie wird weiter Nahrung bekommen bei den außenpolitischen Ankündigungen: „Unser Ziel ist es, Europa gestärkt aus der Krise zu führen.“ Unser Warnen vor einem neuen deutschen Krieg, z.B. in den letzten Jahren mit dem Aktionszug Klassenkampf statt Weltkrieg, hat sich nach diesem Koalitionsvertrag keineswegs erledigt, im Gegenteil: dieses Warnen ist nötiger denn je. Mit dieser Regierung können wir nicht leben. Sie schützt uns weder vor Verarmung – im Exportweltmeisterland und Niedriglohnland sterben heute schon Menschen acht Jahre früher weil sie arm sind – noch vor der nächsten deutschen Katastrophe. Eine andere Regierung ist sehr wohl möglich. Organisiert euch mit uns im Kampf gegen die Regierung der Ermächtigung und der Kriegsvorbereitung!


Arbeits- und Koordinationsausschuss der Vierten Arbeiter- und Gewerkschafter-Konferenz gegen den Notstand der Republik


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